Um zum Examen zugelassen zu werden, benötigt man (neben den großen und kleinen Scheinen der 3 Rechtsgebiete) den Nachweis eines Grund- und Schwerpunktpraktikums. Um Letzteres überhaupt antreten zu dürfen, muss man dem Justizprüfungsamt (JPA) belegen, dass das Grundpraktikum bereits absolviert wurde. Dafür bat ich meine ehemalige Ausbildungsstelle um die notwendige Bescheinigung. Das erforderliche Schriftstück erhielt ich prompt. Der Text schmälerte allerdings die erste Freude:
„… hat an dem Praktikum durchgehend teilgenommen und wurde hierbei mit allen wesentlichen anwaltlichen Tätigkeiten vertraut gemacht. Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben ihrem Wissensstand entsprechend mit gutem Erfolg erledigt.“
Die Passage „ihrem Wissensstand entsprechend“ erinnerte mich stark an die berühmt berüchtigte Zeugnissprache. Ganz nach dem Motto „Sie bemühte sich den Anforderungen gerecht zu werden“ oder „Sie hat sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten eingesetzt.“ Ein Beleg für Unfähigkeit und Faulheit. – Habe ich mich wirklich so ungeschickt angestellt?
Drei kleine Worte und ich hatte das Gefühl, total versagt zu haben. Zum Glück muss ich das Schreiben keiner Bewerbung beilegen. Es wird nur für’s JPA benötigt und soll im Original vorgelegt werden. Ich kramte die Mitteilung noch einmal hervor, in der über die inzwischen vergessenen Anforderungen an Zusendung und Bescheinigung informiert wurde:
„Daraus muss hervorgehen, dass Sie an dem Praktikum durchgängig teilgenommen und dass Sie die Ihnen übertragenen Aufgaben Ihrem Wissensstand entsprechend wahrgenommen haben.“
Ein erleichtertes Lächeln huschte über mein Gesicht. Das war gar keine versteckte Leistungskritik. Meine Ausbildungsstelle hatte sich nur an die bindende Vorgabe gehalten. Zumindest bis auf eine kleine Abweichung: „Mit gutem Erfolg“.