Dem Himmel so nah

Toll so ein Dachboden über der Wohnung! Alles was auf 25 qm keinen Platz mehr findet, wird eine Etage höher verstaut. Das schlimmste Chaos kann auf diesem Weg in wenigen Minuten beseitigt werden. Oder zumindest verlagert. Denn was erst mal aus den Augen ist, ist auch schnell aus dem Sinn.

Etwas von Sinnen muss ich wohl auch gestern Abend gewesen sein, als ich meinen Staubsauger die Treppen empor schleppte. Ein großes Gerät, welches ebenso große Aufmerksamkeit erfordert, um zu später Stunde keine klangvolle Zusammenstöße mit dem Treppenhausgeländer zu provozieren. Als ich zurück in meine Wohnung wollte, passte der Schlüssel plötzlich nicht mehr. Hatte ich mich etwa in der Etage versehen? Ich checkte die Fußmatte. Definitiv meine. Dennoch verweigerte der Schlüssel die letzten 3 mm. Langsam wurde mir warm. Es gab nur eine Erklärung: Ich hatte meinen Zweitschlüssel auf der anderen Seite im Schloss stecken und mich somit erfolgreich ausgesperrt.

Enttäuscht von der eigenen Unachtsamkeit, suchte ich Trost bei meiner Mutter. Kurze Zeit später standen wir gemeinsam vor meiner Tür. Diese blieb von der doppelten Frauenpower allerdings unbeeindruckt und verweigerte weiterhin den Zutritt. Zum Glück hatte ich weder den Computer noch den Herd an. Es brannte lediglich das Licht und die Balkontür stand offen.
Moment! Die Balkontür!

Es muss etwa kurz vor 1 Uhr (nachts) gewesen sein, als ich die Idee hatte, über das Dach auf meinen Balkon zu springen. Meine Mutter protestierte. Ich glaube, die 15 Meter zum Erdboden machten ihr Sorgen. Zur Sicherung sollte mir das 3-Meter-Kabel meines Staubsaugers dienen. Der hatte mir den ganzen Ärger schließlich eingebrockt. Als ich schon mit einem Bein im Grab auf dem Dach stand, kamen mir allerdings selbst Zweifel und ich brach das Vorhaben ab. Zu riskant – im Dunkeln.

Es folgte eine traumreiche Nacht (im Elternhaus), in der ich auf alle erdenklichen Arten den Weg in meine Wohnung zurückfand. Keine davon ging übers Dach und keine davon hätte sich in der Realität auch nur ansatzweise umsetzen lassen. Am heutigen Morgen alarmierte ich dann meinen kreativen Onkel und gegen 9 Uhr stand er mit 2 Abschleppseilen auf der Matte. Viel Zeit blieb nicht, weil seine Familie im Wagen ungeduldig auf die Weiterfahrt zu einem Geburtstag wartete. Fix knotete er die Seile zusammen, band mir ein Ende um die Taille, während er das andere zur Sicherung hielt. Danach stieg ich wieder aus dem Fenster, rutschte bis zum Dachende runter, peilte meinen Balkon an, kletterte auf die andere Seite des Schneegitters, griff nach dessen Befestigung und ließ den Rest meines Körpers vom Dach. Da baumelte ich nun an einer Hand irgendwo über meinem Balkon. „Wenn ich JETZT sage, musst Du mir Seil geben!“ rief ich meinem Onkel hoch – und nach meinem Signal ließ ich das Schneegitter los …

Nun, der Eintrag lässt vermuten, dass ich den Sprung überlebt habe. Ich landete wie geplant und unbeschadet. Die Aktion dauerte keine 5 Minuten. – Toll so ein Dachboden über der Wohnung!

Zeugnissprache

Um zum Examen zugelassen zu werden, benötigt man (neben den großen und kleinen Scheinen der 3 Rechtsgebiete) den Nachweis eines Grund- und Schwerpunktpraktikums. Um Letzteres überhaupt antreten zu dürfen, muss man dem Justizprüfungsamt (JPA) belegen, dass das Grundpraktikum bereits absolviert wurde. Dafür bat ich meine ehemalige Ausbildungsstelle um die notwendige Bescheinigung. Das erforderliche Schriftstück erhielt ich prompt. Der Text schmälerte allerdings die erste Freude:

„… hat an dem Praktikum durchgehend teilgenommen und wurde hierbei mit allen wesentlichen anwaltlichen Tätigkeiten vertraut gemacht. Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben ihrem Wissensstand entsprechend mit gutem Erfolg erledigt.“

Die Passage „ihrem Wissensstand entsprechend“ erinnerte mich stark an die berühmt berüchtigte Zeugnissprache. Ganz nach dem Motto „Sie bemühte sich den Anforderungen gerecht zu werden“ oder „Sie hat sich im Rahmen ihrer Fähigkeiten eingesetzt.“ Ein Beleg für Unfähigkeit und Faulheit. – Habe ich mich wirklich so ungeschickt angestellt?

Drei kleine Worte und ich hatte das Gefühl, total versagt zu haben. Zum Glück muss ich das Schreiben keiner Bewerbung beilegen. Es wird nur für’s JPA benötigt und soll im Original vorgelegt werden. Ich kramte die Mitteilung noch einmal hervor, in der über die inzwischen vergessenen Anforderungen an Zusendung und Bescheinigung informiert wurde:

„Daraus muss hervorgehen, dass Sie an dem Praktikum durchgängig teilgenommen und dass Sie die Ihnen übertragenen Aufgaben Ihrem Wissensstand entsprechend wahrgenommen haben.“

Ein erleichtertes Lächeln huschte über mein Gesicht. Das war gar keine versteckte Leistungskritik. Meine Ausbildungsstelle hatte sich nur an die bindende Vorgabe gehalten. Zumindest bis auf eine kleine Abweichung: „Mit gutem Erfolg“.

Outer Limits

„Was Sie jetzt sehen werden, wird Ihr Bewusstsein verändern.
Hinter der vertrauten Realität lauert das Unfassbare.
Hinter dem Sichtbaren verbergen sich geheimnisvolle Rätsel.
Hinter dem Augenscheinlichen liegt noch eine andere Wahrheit.“

Nichts leitet diesen Beitrag besser ein, als das Intro zu der Serie „Outer Limits – Die unbekannte Dimension“. Es geht um die Deutschen Post! Im Juli habe ich meine prächtigen Sondermarken in gewöhnliche Standardmarken umtauschen müssen. Aus Gründen, die mir kein Mensch einleuchtend erklären kann. Nicht einmal die Deutschen Post selbst, an welche ich mich in meiner Enttäuschung per Mail gewandt hatte:

Dass Sie mit unseren Umtauschmodalitäten nicht zufrieden sind, tut uns leid. Gerne erläutern wir daher unsere Rahmenvorgaben:

Als kundenorientiertes Dienstleistungsunternehmen ist es unser Ziel den Umtausch von den Pfennig-Postwertzeichen so kundenfreundlich wie möglich durchzuführen. Die Bearbeitung möchten wir so einfach und schnell wie möglich für unsere Kunden gestalten, damit der Umtausch für unsere Kunden kostenlos angeboten werden kann.

Wir bitten Sie daher um Ihr Verständnis, dass ein Umtausch in Sondermarken nicht vorgesehen ist. Dass wir Ihren Wunsch nicht erfüllen können, bedauern wir. Vielleicht können Sie aber durch unsere Information ein wenig Verständnis für unsere Entscheidung finden.

Verständnis setzt Verstehen voraus, aber ich verstehe nicht, warum die Post bei Sondermarken einen Mehraufwand sieht. Die Dinger werden doch sonst auch ohne Bearbeitungszuschlag verkauft. Was soll überhaupt die Erwähnung des „kostenlosen Angebots“? Sind wir etwa nur knapp einem gebührenpflichtigen Zwangsumtausch entgangen?

Heute war ich wieder bei der Post. Briefmarken umtauschen. Mein Vorrat ist noch nicht erschöpft. Kommentarlos trat ich an den Schalter heran und schob meine Briefmarkencollage unter dem Panzerglas durch. Der Postangestellte überprüfte die Endsumme und fragte nach dem Wunsch der Auszahlung. „Bitte in Marken für Standardbriefe wechseln.“ Ich ersparte mir, meinen Wunsch nach Sondermarken zu äußern, akzeptierte die Realität, nahm, was man mir vorsetzte … Sondermarken! Von jeder Serie ein Bogen! – Ein Rätsel, die Deutsche Post.