Juristen, geht wählen!

Heute war der Tag! Heute sollte ich über die Zukunft der Bremer Universität entscheiden, einen Weg aufzeigen, die Wende einläuten – kurz: Wählen gehen!

Aufgrund der bisherigen Wahlbeteiligung von nur 7,1% (!!!) wurden die Wahlen bis Dienstag verlängert. Im Hörsaal hatte der „AStA für alle“ am Morgen Flugblätter für die wahlfaulen Kommilitonen verteilt und hoffte mit der großzügigen Überschrift „Juristen, geht wählen!“ auf Besserung. Während der Vorlesung schmiedete ich den Schlachtplan.

Welche Informationen hatte ich bis jetzt erhalten? Letzte Woche erfuhr ich von der Naturwissenschaftsliste und dem AStA. Seit heute kommt der „AStA für alle“ hinzu und in der Uni hingen noch Plakate von der „Feministischen Liste“ und der „Liste gegen Rechts“. Hört sich schon mal gut an. Aber wen soll ich jetzt wählen? Und sind das überhaupt schon alle? Vielleicht sollte ich einfach überall ein Kreuz machen, dann wird keiner benachteiligt und die Chance zu gewinnen ist viel größer! – Vielleicht aber auch nicht. – Am Ende der Vorlesung hatte ich mich dann entschieden: Ich entscheide mich spontan!

Der Gang zur Wahlurne war ein bedeutender Gang. Ich spürte förmlich, wie all die Hoffnung auf mir lastete. „Jede Stimme zählt!“ hallte es durch den Raum. Das Lächeln der Wahlhelferin symbolisierte deutlich: Sie hatten auf mich gewartet! Selbstsicher lächelte ich zurück, denn ich wusste, was zu tun war. Entschlossen griff ich zum Kugelschreiber. Jetzt war der Moment gekommen! Ich setzte an, und … „Hast Du Deinen Wahlausweis dabei?“

Mist!

Spannende Politik

Politik! – Gibt es etwas Spannenderes? – Mit Sicherheit ja! Aber seitdem in der Uni die Wahlen (zum Studienrat, Akademischen Senat und zu den Fachbereichsräten) begonnen haben, muss ich meine bisherige Ansicht noch mal überdenken.

Da tauchte doch heute ein Herr Ballandis von der Naturwissenschaftsliste zu unserer Haftung- und Schadensrecht Vorlesung auf und verkündete (mit dem Einverständnis des Profs), dass die Wahlen begonnen haben und wir die 20% Wahlbeteiligung vom letzten Mal unbedingt überbieten müssten, weil sich dringend etwas ändern muss. Was sich ändern muss schob er gleich hinterher: Der AStA (allg. Studentenausschuss)! Dann begann er mit einer Aufzählung von schier unglaublichen Handlungsweisen des AStAs und der AStA-Koalition. Es fielen Worte wie: Rechtswidrige Aktivitäten, veruntreute Gelder, Selbstbedienung, Unterdrückung der Opposition usw. Das meiste waren Fremdwörter für mich aber die Quintessenz war eindeutig: Der AStA lässt es sich auf Kosten der Studierenden gut gehen, zahlt sich selbst ’nen Haufen Kohle und tut nichts dafür.

In dem Moment wurde mir klar: Ich muss AStA-Mitglied werden!
Bevor ich diesen Gedanken noch näher ausbauen konnte, wurde eine Frauenstimme hinter mir laut und störte den Vortrag: „Ich möchte das jetzt nicht hören! Ich bin hier um BGB zu lernen. Würdest Du bitte sofort damit aufhören!?“ Ihr Ton war fordernd und aggressiv. – Hey! Vielleicht war sie beim AStA!?

Ballandis allerdings wollte seine Vorstellungen von einer neuen und besseren Welt noch zu Ende bringen und sprach weiter. Erneut wurde er scharf unterbrochen. Als er dann immer noch nicht schwieg, erhob sich die Rothaarige aus der Reihe hinter mir und nahm Kurs aufs Rednerpult. Es wurde unruhig im Hörsaal. Was hatte sie vor? Will sie ihn jetzt aus dem Raum zerren oder gar schlagen? Ihrem entschlossenen Gang nach zu urteilen, war diese Möglichkeiten allemal drin! Sie löste das Problem zu meiner „Enttäuschung“ jedoch unspektakulärer und schaltete Ballandis‘ Mikrofon ab. Natürlich verlor dieser einige Worte über das Geschehen, bevor er sich wieder seinem eigentlichen Thema widmete: Den Wahlen. Mhm… Hier lag etwas in der Luft. Die Kommilitonin reagierte prompt auf soviel Hartnäckigkeit. Sie würde nicht aufgeben, eh Ballandis den Saal verlassen hätte und Ballandis würde nicht aufgeben, eh… ja,.. eh der Professor die Situation entschärfte und dem Vortragenden einen abschließenden Satz gewährte (Spielverderber!).

PS: Es regnet.